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Schwierige Konsolidierung (1960-1980)

 

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In Trachau befindet sich nunmehr der Hauptkomplex des Krankenhauses Dresden-Neustadt. Es verfügt mit mehreren Inneren Kliniken, einer Klinik für Tuberkulose und Lungenkrankheiten, einer Kinderklinik, einer Chirurgischen Klinik, einer Frauenklinik, den Polikliniken Mickten und Neustadt sowie verschiedenen weiteren Arbeitsbereichen über die Struktur eines großen Allgemeinkrankenhauses. Es zeigt sich, dass die an sich guten räumlichen Voraussetzungen des Standortes einer aufwendigen baulichen und versorgungstechnischen Rekonstruktion bedürfen. Trotz großer Hingabe des medizinischen Personals, das unter schwierigsten Bedingungen arbeitet, laufen Quantität und Qualität der medizinischen Versorgung den Bedürfnissen hinterher. Auf den Bau eines sehnlichst erwarteten neuen Bettenhauses und einer Pathologie muss man in Trachau vorerst verzichten.

Am 9. Juli 1959 konstatiert die Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen der Dresdner Stadtverwaltung das Fehlen von 1000 Krankenhausbetten, verglichen mit den Richtwerten des 2. Fünfjahrplanes. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel einen Abbau des Defizits nicht zulassen. "Eine Entlastung der sehr schwierigen Bettensituation in Dresden würde bei der Übergabe des ehemaligen Lahmannschen Sanatoriums durch die Sowjetarmee und des nicht voll ausgelasteten Nachtsanatoriums der Wismut eintreten." Daran ist jedoch - zumindest im Moment - nicht zu denken. So müssen sich die staatlichen Initiativen im wesentlichen auf die Qualifizierung der bestehenden Einrichtungen beschränken.

Das Krankenhaus Dresden-Neustadt hat sich inzwischen auch international beim Kampf gegen die Poliomyelitis einen Namen gemacht. Das ist besonders auf die Erfolge bei der Behandlung atemgelähmter Patienten zurückzuführen. Diese therapeutischen Erfahrungen fließen in Anbetracht eines Rückgangs von Neuerkrankungen, eine Folge der aktiven Immunisierung gegen Poliomyelitis, in den Ausbau der internistischen, später der interdisziplinären Intensivtherapie ein. Die vorhandenen Beatmungsgeräte und die großen intensivpflegerischen und intensivmedizinischen Erfahrungen dienen jetzt der Versorgung von Schwersterkrankungen mit lebensbedrohlichen Funktionsstörungen auf kardiologischem, neurologischem, pulmologischem und chirurgischem Gebiet. Mit dem Hinzutreten der in den 60er Jahren immer stärker an Bedeutung gewinnenden Fachrichtung Anästhesiologie wird der Grundstein für eine wichtige Entwicklungs- und Spezialisierungsrichtung des jungen Krankenhauses gelegt.

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Dieser Bereich der Intensivmedizin verbleibt vorerst an der I. Medizinische Klinik unter Leitung von Chefarzt Dr. med. Schmeiser im seit I960 zweigeteilten Bereich der Inneren Medizin. Die II. Medizinische Klinik unter Chefarzt Dr. med. Rößler befasst sich vorwiegend mit der Bekämpfung von Herz- und Kreislaufkrankheiten und der chronischen Hepatitis, einem Forschungsvorhaben. Die medizinische Betreuung ab Anfang der 60er Jahre ist zunehmend gekennzeichnet durch den Aufbau von Dispensaires, so für Infektionskrankheiten, Herz-Kreislaufkrankheiten, pädiatrische , Asthma, bronchiale und allergische Erkrankungen sowie Blutkrankheiten.

Im Zuge zunehmender Profilierung entstehen im Bereich der Medizinischen Kliniken 1975 eine Abteilung für Intensivdiagnostik unter ärztlicher Leitung von Dr. med. Langer und in den Folgejahren eine Abteilung für unter Oberarzt Dr. med. Poegel sowie eine hämatologisch-onkologische Abteilung. Eine Tollwutimpfstelle unter Dr. med. Schmidt nimmt 1970 ihre Tätigkeit auf.
Die Klinische Abteilung für Lungentuberkulose in den Oberlößnitzer Häusern Haideberg, Ermelhaus und Fiedlerhaus mit ca. 100 Betten schließt 1970. In der Folge übernimmt die II. Medizinische Klinik das Haus Haideberg als geriatrischen, die Chirurgische Klinik das Ermelhaus als traumatologischen Bereich.
Die Innere Abteilung des Krankenhauses Wurzener Straße, die 1956 unter Leitung von Dr. med. Born in das für rund 300 000 Mark sanierte ehemalige Möllersche Privatsanatorium nach Oberloschwitz verlegt wird, bildet dort mit weiteren in ehemaligen Privatkliniken befindlichen und kurzzeitig dem Krankenhaus Dresden-Neustadt unterstellten medizinischen Einrichtungen sowie mit der Inneren Abteilung des Behelfskrankenhauses Rosa-Menzer-Straße und den Polikliniken Blasewitz und Strehlen den selbständigen Krankenhausverband Oberloschwitz. In der neuen Umgebung, begünstigt durch die landschaftlichen und klimatischen Gegebenheiten des Elbhanges, werden unter Einbeziehung der seinerzeit umfangreich praktizierten Schlaftherapie erste Schritte in Richtung Psycho- und Soziotherapie unternommen. 1963 eröffnen sich durch die Übernahme des mitten im Kiefernwald gelegenen Nachtsanatoriums der SDAG Wismut völlig neue Entwicklungsmöglichkeiten. Der nunmehrige Krankenhausverband Weißer Hirsch befindet sich anfangs in einem Dienstleistungsverhältnis mit dem Rat des Stadtbezirkes Dresden-Ost, später mit dem Krankenhaus Dresden-Neustadt. Schließlich werden die Kliniken 1972 erneut dem Krankenhaus Dresden-Neustadt zugeordnet und bilden eine III. (Weißer Hirsch) und IV (Oberloschwitz) Medizinische Klinik unter Leitung der Chefärzte Dr. med. Born und Dr. med. Schneider. Die Psychotherapiestation - nunmehr im ehemaligen Entbindungsheim Hermann-Prell-Straße - wird 1973 selbständige Fachabteilung des Stadtkrankenhauses Dresden-Neustadt und dem Ärztlichen Direktor direkt unterstellt. Ihr Leiter ist Dr. med. Blum.

Die Ärzte und Schwestern der neugeschaffenen und im Januar 1956 am Standort Industriestraße eröffneten Kinderklinik begegnen den dort vorgefundenen Bedingungen mit großer Tatkraft und Enthusiasmus. Noch 1961 muss der Ärztliche Direktor des Krankenhauses Dresden-Neustadt, Dr. med. Schmeiser, feststellen: "Die Zahl der Betten in der Kinderklinik ist knapp. Es fehlen Boxenstation und Aufnahmeräume für die allgemeine und die Infektionsaufnahme. Die hygienisch völlig unzulänglichen Zustände auf den beiden Infektionsstationen der Kinderklinik müssen 1962 durch die Installation von Wasserleitungen nach allen Räumen und einen zweckentsprechenden Innenausbau beseitigt werden." Die Infektionskrankheiten Masern, Scharlach, Diphtherie, Poliomyelitis und Tuberkulose machen den Hauptanteil der stationär zu behandelnden Kinderkrankheiten aus. Schwere Dystrophien und Toxikosen sind häufig, die therapeutischen Möglichkeiten sehr beschränkt. 1958 wird am Haus E ein Balkon angebaut, der Freiluftbehandlungen ermöglicht. 1962 "werden die beiden pädiatrischen Stationen des G-Hauses organisatorisch zweckmäßig in das der Kinderklinik benachbarte Haus F verlagert. Die beiden Häuser E und F werden 1966 durch einen Zwischenbau mit integriertem Fahrstuhl verbunden.

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1963 übernimmt Prof. Dr. med. Dietzsch die Leitung der Kinderklinik und führt sie zu einer leistungsfähigen, nach modernsten wissenschaftlichen Methoden arbeitenden Einrichtung mit harmonischem Arbeitsklima, die hohe Anerkennung und Wertschätzung bei Patienten und in der Öffentlichkeit findet. Die von ihm angeregte Schaffung einer Elektroenzephalographie (EEG)-Abteilung nach Planung von Dr. med. von Löbbecke kann zwar erst 1973 realisiert werden, wird jedoch mit angeschlossener psychologischer Beratungsstelle und neuropädiatrischer Ambulanz zu einem wichtigen Ausgangspunkt künftiger Entwicklungen des Krankenhauses.
Nach der Berufung von Prof. Dr. med. Dietzsch zum Direktor der Kinderklinik der Medizinischen Akademie Dresden übernimmt Doz. Dr. med. Rogner die Einrichtung. Unter seiner Leitung wendet sich die Klinik besonders den Problemen der Peri- und Neonatologie zu. Durch Teilnahme an experimenteller wissenschaftlicher Arbeit werden viele wichtige Erkenntnisse für die Praxis gesammelt. Seinen Bemühungen ist es zu verdanken, dass ein eigenes mit modernsten Geräten ausgestattetes Kinderklinik-Labor entsteht. 1970 werden unter seiner Regie Säuglingsisolierboxen eingebaut.

Prof. Dr. med. Rogner stirbt 1977 im Alter von 46 Jahren. Sein Nachfolger wird Doz. Dr. med. Kotte. Er trennt 1978 die Neu- und Frühgeborenenstation von der Säuglingsstation ab, rüstet sie mit modernen Beatmungs- und Überwachungsgeräten aus und schafft damit die Neugeborenenintensivstation E IV. 1984 kann er mit Stolz feststellen, dass die Säuglingssterblichkeit im Bezirk Dresden mit 9,4 % den niedrigsten Stand innerhalb der DDR aufweist, ein Ergebnis, an dem die Kinderklinik im Krankenhaus Dresden-Neustadt keinen geringen Anteil besitzt.
Unter Dr. med. Kaiser, der die Chirurgische Klinik bereits seit den ersten Anfängen in der Wurzener Straße gerührt hat, bezieht diese 1958 ihr neues Domizil in den Häusern C und D des Krankenhauskomplexes an der Industriestraße. Jetzt gibt es 5 Stationen, septische und aseptische Stationen für Männer und Frauen, darunter zwei 5-Bett-Zimmer für Kinder über 3 Jahre. 1959 werden zwei OP-Säle im Erdgeschoss ausgebaut. Die Häuser C und D erhalten einen Verbindungstrakt, in dem eine Blutbank eingerichtet wird.
I960 verstirbt Dr. med. Kaiser bei einem Unfall. An seine Stelle tritt Dr. med. Tzamalukas, ein erfahrener griechischer Arzt, der wegen seiner Teilnahme am antifaschistischen Widerstandskampf und Partisanenkrieg verfolgt, seit 1950 in der DDR Asyl und Heimat gefunden hat. Er ist seit 1950 Oberarzt der Chirurgischen Klinik und Autor vieler wissenschaftlicher Veröffentlichungen, ein Spezialist auf den Gebieten der Abdominalchirurgie, speziell der Magen- und Gallenchirurgie. 1961 wird Dr. med. Marschner Chefarzt der Chirurgischen Klinik, mit dessen Berufung ein deutlicher Ausbau des chirurgischen Profils einsetzt. Die Unfallchirurgie, ebenfalls eine der späteren Hauptentwicklungsrichtungen des Krankenhauses Dresden-Neustadt, rückt in den Vordergrund.

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Die Zahl der Operationen steigt von 900 im Jahr I960 auf 2000 im Jahr 1970 rapide an. Dazu kommt ein hoher Anteil ambulanter chirurgischer Patienten (7000 im Jahr 1973). Gleichzeitig ist das Ermelhaus mit zwei Chirurgischen Stationen durch die Klinikärzte mit zu betreuen.
1972 wird eine chirurgische Wachstation mit 15 Betten und modernsten elektronischen Überwachungsgeräten und Reanimationsmöglichkeiten eröffnet. Das verbessert die postoperative und intensivmedizinische Betreuung chirurgischer Patienten wesentlich und ist mit einer umfangreichen Rekonstruktion der gesamten interdisziplinären Intensivtherapie des Krankenhauses verbunden. 1975 wird ein chirurgischer Aufnahmetrakt mit Schockbekämpfungs- und Verbandszimmer geschaffen, der Blutspendedienst reorganisiert, der OP-Trakt neuerlich umgebaut. Jetzt stehen 20 chirurgische Betten für den Katastrophenfall bereit. 1977 erfolgt in der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses Dresden-Neustadt die erste Nierenspende. Trotz dieser Anstrengungen kann die Warteliste für planbare Eingriffe in der Chirurgischen Klinik nur von 350 Patienten auf durchschnittlich 120 Patienten reduziert werden.

1980 entsteht eine Spezialabteilung Kinderchirurgie (32 Betten) unter Leitung von Dr. med. Märtens, in der 14 Schwestern und drei Assistenten tätig sind.
Als letzte Einrichtung und unter zunehmenden Schwierigkeiten be2ieht die Frauenklinik im Juni I960 mit ihren Bereichen Gynäkologie und Geburtshilfe das neue Quartier in Trachau. Doch die bauliche Rekonstruktion der neuen Klinik wird nicht termingemäß beendet. Andere Dresdner Frauenkliniken, die zur Übernahme von Patientinnen des Krankenhauses Dresden-Neustadt verpflichtet werden, kommen diesen Auflagen nicht nach. So muss die Geburtenstation zuerst in die zweite Etage des F-Hauses ziehen, ehe sie 1961 in das vorgesehene B-Haus verlegt werden kann. Trotzdem freuen sich die Schwestern über verbesserte Arbeitsbedingungen durch technische Neuerungen wie fahrbare Glasbettchen oder die Möglichkeit des Windeltauschs und die Versorgung mit Säuglingsnahrung durch die Milchküche der Kinderklinik. 1963 schließlich ist die Rekonstruktion beendet. Das Entbindungsheim Otto-Wagner-Straße wird geschlossen und die geburtshilfliche Betreuung nunmehr im Klinikbereich Industriestraße konzentriert. Zum gleichen Zeitpunkt tritt die verdienstvolle ärztliche Leiterin des Entbindungsheimes, Frau Dr. med. Ursula Bergander, in den Ruhestand. Ihre Einrichtung hat bahnbrechend bei der Einführung der sogenannten psychoprophylaktischen Entbindungen gewirkt. So kann Frau Dr. med. Bergander in einem Beitrag für die Zeitschrift "Das deutsche Gesundheitswesen" darauf verweisen, dass in ihrer Klinik zwischen 1957 und 1960 über 70%, nämlich 2507 von 3599 Geburten, nach dieser Methode schmerzarm verliefen. Gleichzeitig wird von positiven Erfahrungen bei der Anwesenheit des Ehemannes während der Geburt berichtet.

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Die Periode der Entwicklung und Konsolidierung des Krankenhauses Dresden-Neustadt fällt zugleich in eine Zeit des rasanten Fortschritts der medizinischen Wissenschaft und Praxis sowie der Medizintechnik. Im zunehmenden Maße bestimmen sowohl Spezialisierung, wie gleichermaßen Vernetzung sowie das Vorhandensein und Niveau medizinischer Querschnittsbereiche den medizinischen Erfolg. Auch diese Einrichtungen - Röntgendiägnostik, Krankenhauslabor, Physiotherapie und nicht zuletzt die Krankenhausapotheke - haben sich aus primitivsten Anfängen entwickelt.
Die Entwicklung der Röntgenabteilung beginnt ohne Fachkräfte und mit Gerätetechnik, über deren Gefährlichkeit sich erst spätere Generationen klar werden, ebenfalls in der Wurzener Straße.

1950 stehen dann im Barackenbau an der Industriestraße modernere Geräte zur Verfügung - Durchleuchtungsgerät, Flachblendentisch und Lungenstativ sowie ein transportables Röntgengerat. Alle Untersuchungen werden von einem Internisten gemeinsam mit Röntgenassistenten und -hilfskräften durchgerührt. Die Chirurgische Klinik in der Wurzener Straße hat eine eigene kleine Röntgenabteilung. Beide Abteilungen werden nach dem Umzug der Chirurgie I960 in Trachau zusammengelegt, Doch gelingt es vorerst nicht, einen Radiologen als Chefarzt zu gewinnen. 196l übernimmt Dr. med. Reichardt und nach seinem Weggang Dr. med. Queißer die Leitung der Röntgendiagnostik.
Als Facharzt für Radiologie kommt 1971 Dr. med. Wihsgott von der Medizinischen Akademie Dresden zum Krankenhaus Dresden-Neustadt. Unter seiner Leitung wird die Röntgendiagnostik reorganisiert und zielstrebig zu einem leistungsfähigen Röntgendiagnosezentrum ausgebaut. Neue Anlagen werden angeschafft, neue Untersuchungsmethoden erprobt und eingeführt, spezielle Geräte auch selbst entwickelt und gebaut. Schnell sind die räumlichen Reserven des alten Barackenbaus ausgeschöpft, ein Neubau muss her.
Das Krankenhauslabor, dessen Ursprünge sich 1946 im Trachauer Infektionskrankenhaus finden lassen, wechselt sein Domizil mehrfach, bis im Oktober 1954 die Baracke I zum dauerhaften Standort wird. Entsprechend der kontinuierlich steigenden Anforderungen wird dort I960 mit organisatorischen und räumlichen Veränderungen das Zentrallabor des Stadtkrankenhauses Dresden-Neustadt geschaffen, in dem eine räumliche Trennung in und Klinische Chemie möglich ist und neue Untersuchungsmethoden eingeführt werden können. Im Januar 1959 übernimmt Dr. med. Barthels nebenamtlich die Leitung des Labors. Der kontinuierliche Anstieg der monatlichen Untersuchungszahlen, die in den 50er Jahren bei 8 000, 1963 bei 12 000 und 1973 bei 24 000 liegen, erzwingen im Januar 1973 einen neuerlichen diesmal 25 Monate dauernden Umbau, der alle Labors unter einem Dach vereint. Zur gleichen Zeit wird mit Dr. rer. nat. Arnold erstmals ein hauptamtlicher Leiter der Abteilung Klinische Laboratorien eingesetzt. Unter seiner Leitung vollziehen sich Neuerungen auf arbeitstechnischem und organisatorischem Gebiet. Zu nennen ist die Zusammenarbeit mit der I. Medizinischen Klinik beim Aufbau der Pankreasdiagnostik. Strenge Qualitätskontrolle verhilft der Abteilung zu einem Spitzenplatz unter den medizinischen Einrichtungen des Bezirkes Dresden. Automatisierte Untersuchungsverfahren werden eingeführt.

Als Dr. med. Koenitz, der spätere ärztliche Leiter der Physiotherapeutischen Abteilung, 1949 selbst als jugendlicher Patient in der Trachauer Poliomyelitisstation liegt, gibt es im Hause nur einen Masseur, der über ein uraltes Elektrisiergerät mit der Bezeichnung "Pantostat" verfügt, das neben galvanischem Strom mittels eines Wagnerschen Hammers faradischen Strom erzeugt. Sechs Jahre später sind es immerhin schon fünf Fachkräfte, die im Haus H drei Arbeitsräume nutzen. Unter ihnen ist die spätere Leitende Physiotherapeutin Frau Heyder. 1962 kommt ein kleiner Gymnastikraum im Keller des Hauses B und 1965/66 eine aus drei Räumen bestehende hydrotherapeutische Abteilung im Haus D mit Unterwassermassage, Duschkatheter, Behandlungs- und Ruhebänken dazu. Die 10 Krankengymnastinnen führen auch die tägliche Wochenbettgymnastik im Entbindungsheim Otto-Wagner-Straße durch. Mit Dr. med. Koenitz erhält die Physiotherapeutische Abteilung 1967 erstmals eine kontinuierliche ärztliche Leitung, zunächst nebenamtlich, ab 1973 hauptamtlich. Das Krankenhaus Dresden-Neustadt ist damit die zweite medizinische Einrichtung innerhalb der DDR, die über eine zentrale, fachärztlich geleitete Physiotherapeutische Krankenhausabteilung verfügt. Frühmobilisation von Herzinfarkten in der Phase I, CO2 -Gasbäder für Angiopathiebehandlung sowie Reizstrom- und Ultraschallbehandlungen erweitern die therapeutische Palette. Die 1972 beginnende neuropädiatrische Behandlung in der Kinderklinik schafft eine Zusammenarbeit auf beispielhaft hohem Niveau und eine neue Qualität der Physiotherapie. Dem wird mit nach dreijähriger Bauzeit rekonstruierten Arbeitsräumen und einem Gymnastikraum im Keller des D-Hauses entsprochen. Somit sind auch Gruppengymnastiken und rationalisiertes Arbeiten möglich. Die Einführung moderner Behandlungsverfahren lässt die Physiotherapie zur gleichberechtigten klinischen Fachdisziplin werden. Die Gesamtbehandlungszahl der Physiotherapeutischen Abteilung steigt von 1972 bis 1982 von 29 412 auf 50 439.

Bereits in den ersten Anfängen der medizinischen Versorgung von Patienten durch das Krankenhaus Dresden-Neustadt existierte in der ehemaligen Turnhalle am Standort Wurzener Straße eine Krankenhausapotheke unter Leitung eines approbierten Apothekers. Die Existenz einer Krankenhausapotheke am Standort Industriestraße ist seit dem Jahre 1951 nachzuweisen. Am 3. Dezember diesen Jahres trennt sie sich von der im gleichen Haus (B-Haus des Standortes Industriestraße) untergebrachten Medikamentenausgabestelle der Poliklinik, die im B-Haus verbleibt. Die Krankenhausapotheke wird gemeinsam mit Wirtschaftsabteilung und Schwesternwohnräumen im Haus H eingerichtet. 1958 wird sie mit der nach Trachau verlegten Apotheke von der Wurzener Straße vereinigt. 1961 übernimmt der spätere Oberpharmazierat Dürlich die Leitung. Ihre Belastung als Dienstleistungseinrichtung steigt in dem Maße, wie die Leistungsfähigkeit des gesamten Krankenhauses wächst. Nach zehnjährigem intensivem Ringen kann 1972 ein Steriltrakt in Betrieb genommen werden, der die Herstellung unterschiedlichster Infusionslösungen, Medikamente und Präparate ermöglicht. Anstelle von 1805 Litern steriler Lösungen werden 197316 000 Liter hergestellt. Galenik und Rezeptur werden modernisiert. Maschinelle Produktion löst den Handbetrieb weitgehend ab, schwere körperliche Arbeit wird mechanisiert, Transportbedingungen und die Arbeit des chemischen und physikalischen Apothekenlabors werden verbessert. Ein jährlich überarbeitetes Arzneimittelnormativ wird herausgegeben. Die Aufwendungen für die Ausgaben der Apotheke steigen von 784 000 Mark im Jahre I960 bei größter Sparsamkeit auf 2 175 000 Mark im Jahr 1974. Ende 1976 scheidet Oberpharmazierat Dürlich aus seiner Funktion. An seine Stelle tritt Dr. rer. nat. Keil.

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Ein tragischer Unfall beendet am 11. Dezember 1970 das Leben des Ärztlichen Direktors und Chefarztes der I. Medizinischen Klinik Dr. med. Alfred Schmeiser. Die Stadtverordnetenversammlung und der Rat der Stadt Dresden widmen ihm einen Nachruf.

Nach dem Tode Dr. med. Schmeisers geht die ärztliche Leitung des Krankenhauses Dresden-Neustadt nach kommissarischen Vertretungen durch Dr. med. Hesse (Januar bis März 1971), Dr. med. Rogner (März bis Dezember 1971) und Dr. med. Waltraut Fritzsch (1972) im Jahr 1973 auf Dr. med. Langer über, der diese Funktion 11 Jahre bis 1984 ausübt.

Der Internist und Rheumatologe Langer ist einer der ersten Absolventen der Medizinischen Akademie Dresden (1957) und sammelte praktische Erfahrungen als Schiffsarzt auf großer Fahrt und als Leiter eines Entwicklungshilfekrankenhauses in Algerien. Nachfolger von Dr. med. Schmeiser als Chefarzt der I. Medizinischen Klinik wird sein früherer Oberarzt Dr. med. Queißer.
Mit Übernahme der Klinikstandorte Weißer Hirsch und Oberloschwitz erreicht das Stadtkrankenhaus Dresden-Neustadt im November 1973 eine Kapazität von 1137 Betten, eine Kapazität, die in den Jahren 1973 und 1974 mit 72,8 bzw. 79,9 % ausgelastet ist. Patienten verweilen im Durchschnitt 21,1 Tage (1973) bzw. 20,4 Tage (1974 im Krankenhaus. In den stationären Einrichtungen kommen auf einen Arzt 12,3 Betten, auf einen Angehörigen des mittleren medizinischen Personals 3,2 Betten.
1972 wird auf Beschluss des Rates der Stadt der große poliklinische Bereich mit Poliklinik Dresden-Neustadt und Poliklinik Dresden- Mickten aus dem Krankenhaus verband herausgelöst. Beide Polikliniken erhalten einen selbständigen Status.
Die langjährigen Chefärzte dieser beiden poliklinischen Bereiche, Dr. med. Hesse in der Poliklinik Dresden-Neustadt und Dr. med. Hisek in der Poliklinik Dresden Mickten, übernehmen die Leitung dieser Einrichtungen als Ärztliche Direktoren.
Hinter den eindrucksvollen medizinischen Leistungen steht die Bereitschaft dei Mitarbeiter, insbesondere der des mittleren medizinischen und technischen Personals, sich außerordentlichen persönlichen Belastungen zu stellen. Ständiges Lernen um den sich rapide verändernden Bedingungen des medizinischen Fortschritts zu folgen, ständiges Improvisieren, um trotz begrenzter materieller Möglichkeiten das Beste für den Patienten zu leisten, ständiges geduldiges Ertragen von Defiziten bei der Versorgung mit Wohnungen, Konsumgütern, Dienstleistungen, ja Lebensmitteln müssen auf sich genommen werden. Es ist nicht attraktiv, im zivilen Gesundheitswesen der DDR zu arbeiten. Ein Betriebselektriker mit der Qualifikation eines Meisters im Elektroinstallateurhandwerk verdient bei der Arbeitsaufnahme im Krankenhaus Dresden-Neustadt im Jahr 1970 im Monat 400 Mark Brutto. Das ist trotz "zweiter Lohntüte" erschreckend wenig. Die Arbeit im medizinischen Bereich ist physisch und psychisch schwer und geht meist über die gesetzlich festgelegte Arbeitszeit hinaus. Es verwundert daher nicht, dass das Bemühen um Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in der Entwicklung des Krankenhauses einen hervorragenden Platz einnimmt. Ein wichtiges Ereignis ist da die Übergabe von zwei auf der Industriestraße in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses neuerrichteten Schwesternwohnheimen mit 90 Ein- und 6 Zweiraumwohnungen im Jahr 1959.

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Auch die Einrichtung einer betriebseigenen Kinderwochenkrippe in der unter Denkmalschutz stehenden "Schrader-Villa" unmittelbar neben den Schwesternhäusern im Jahr 1962 ist ein wichtiges Ereignis, das gebührend gefeiert wird. Ist doch nun die Geburt eines Kindes nicht mehr notwendigerweise gleichbedeutend mit der langjährigen Unterbrechung oder gar dem Abbruch der beruflichen Entwicklung. Es ist Symbol, dass man sich für das Kinderhaus um die Namenspatenschaft des selbstlosen Humanisten Dr. Albert Schweitzer, des frommen "Urwaldarztes" von Lambarene, erfolgreich bemüht.

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1969 kann die Kinderkrippe um einen Kindergarten mit 50 Plätzen in der Wurzener Straße ergänzt werden.
Mit viel Anstrengungen - nicht zuletzt mit freiwilliger zusätzlicher Arbeit - werden betriebliche Einrichtungen und Regelungen geschaffen, die die allgemeinen gesellschaftlichen Defizite an Lebensqualität ausgleichen sollen: eine Selbstbedienungswäscherei mit Platt- und Nähstube, die auf Wunsch schrankfertige Wäsche innerhalb von 5 Tagen ausliefert, eine Handwerker-Feierabendbrigade für kleine Reparaturen in den Haushalten der Betriebsangehörigen und an deren elektrischen Geräten, ein Warenbestellsystem in der Betriebsverkaufsstelle und ein Kosmetiksalon mit Fußpflege. Durch Ausbau des Dachbodens im Fiedlerhaus werden 18 Ferienplätze für den Urlauberaustausch mit anderen Einrichtungen geschaffen. Alljährlich organisiert und finanziert das Krankenhaus 16tägige Ferienlager für 120 Kinder von Betriebsangehörigen. Der Elternanteil beträgt 20 Mark pro Kind.

Einen guten Ruf besitzt das Werkrestaurant, das 1975 täglich 900 Essenportionen produziert - nur 500 davon werden im Krankenhaus selbst verzehrt. Auf der Speisekarte stehen täglich bis zu 12 Gerichte. Dazu gibt es eine Pausenverpflegung.
Der Bedarf an Wohnraum für die Mitarbeiter kann jedoch nur zu 40 % erfüllt werden. Es liegen im Schnitt 60 nicht erfüllte Wohnungsanträge vor. Darüber hinaus verhindert das Fehlen von Wohnraum Neueinstellungen. Da nur linkselbisch gebaut wird, bekommen viele Schwestern Wohnungen in Stadtteilen zugewiesen, die den Arbeitsweg bis zu 1,5 Stunden verlängert. Damit können sie viele der sozialen Erleichterungen faktisch nicht in Anspruch nehmen. Auch die in den Außenstellen Beschäftigten befinden sich in einer ähnlichen Situation. Die Leitung des Krankenhauses bemüht sich intensiv, diese Lage zu lindern. Sie stellt den Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG) für jede dem Krankenhaus übergebene Wohnung 500 Mark aus dem Kultur- und Sozialfonds zur Verfügung. Zur Schaffung von Versorgungseinrichtungen in den AWG-Zentren wird ein jährlicher Zuschuss von 2100 Mark gezahlt. Den Um- und Ausbau von Altbauwohnungen unterstützt das Krankenhaus ebenfalls mit 500 Mark pro Wohnung sowie durch die Gewährung zinsloser Kredite aus der Kasse für gegenseitige Hilfe, die dafür beispielsweise 1973 10 000 Mark aus dem Prämienfonds des Krankenhauses erhält.

Die Basis für diese Bemühungen schaffen die Mitarbeiter des Krankenhauses selbst, indem sie jährlich zwischen 25000 und 30000 freiwillige unbezahlte Arbeitsstunden in der "Volkswirtschaftlichen Masseninitiative" (VMI) leisten. Das entspricht einer Wertschöpfung von rund 95000 Mark pro Jahr. Die erbrachten Leistungen konzentrieren sich auf die malermäßige Instandsetzung, Baustellenbereinigung nach Rekonstruktion bzw. Generalreparatur, Pflege der Gartenanlagen, Übernahme zusätzlicher pflegerischer Leistungen, Sicherung der Kindereinrichtungen und Reinigungsarbeiten. Ein gutes Beispiel für derlei Initiativen ist die Erarbeitung des Projektes "Zentrale Spritzensterilisation", an dem vier Lehrlinge, eine Schwester der Chirurgischen Klinik, der FDJ-Sekretär des Krankenhauses, eine Sachbearbeiter und eine Lehrausbilderin beteiligt sind. Der im Oktober 1970 eingereichte Vorschlag beinhaltet einen Jahresnutzen von 43656 Mark. Trotzdem verzögert sich seine Realisierung bis 1974. Im Juli dieses Jahres können endlich alle Kliniken des Standort Industriestraße die Arbeitserleichterung in Anspruch nehmen.
Bis in die 50er Jahre reicht das Bemühen des Krankenhauses zurück, durch eigene Initiative dem Mangel an Fachkräften abzuhelfen. Jährlich nehmen etwa 60 bis 70 Kolleginnen und Kollegen an der Erwachsenenqualifizierung teil. Mit der Zuordnung einer Medizinischen Schule in der Louisenstraße, einer traditionsträchtigen Einrichtung, die vorher bereits als "Allgemeine Berufsschule I" Ausbildungsstätte des Gesundheitswesens war, erhält das Krankenhaus Dresden-Neustadt 1961 größere Möglichkeiten und eine höhere Eigenverantwortung bei der Gewinnung und Ausbildung des mittleren medizinischen Personals. Zugleich ist dieser Schritt ein Ausdruck der erreichten hohen medizinischen Kompetenz und Leistungsfähigkeit des Krankenhauses. An der stark praxisorientierten Schule werden bis zu 1000 Lehrlinge des Gesundheitswesens in den Fachrichtungen Krankenpflege, Kinderpflege (Krippenerzieherin), Diätköchin, Sprechstundenhelferin (Sprechstundenschwester), zahnärztliche Helferin (stomatologische Schwester), Apothekenhelfer (Apothekenfacharbeiter) und Zahntechniker ausgebildet. 1974 erhält die Einrichtung den Fachschulstatus. Auch ein Fachschulfernstudium wird eingerichtet. Lehrlingswohnheime und Lehrwerkstätten erweitern den Verantwortungskreis des Krankenhauses.
Nicht immer wird auf den ersten Blick deutlich, dass hinter medizinischen Leistungen ein beträchtlicher Aufwand an organisatorisch-technischer Arbeit steht. Bei einer Einrichtung, die sich wie das Krankenhaus Dresden-Neustadt in kurzer Zeit und unter schweren Belastungen aus primitivsten Anfängen entwickelt, ist der Anteil technischen und Verwaltungspersonals am Gesamtergebnis besonders groß. Dieser Anteil wächst mit zunehmender Technisierung des medizinischen Fortschritts. Der Aufstieg des Krankenhauses Dresden-Neustadt ist eng mit der Person und der Lebensleistung des Ökonomischen Leiters Manfred Merkel verbunden. Ein knappes Vierteljahrhundert führte er die organisatorischen Geschicke des Krankenhauses. Durch seine guten Beziehungen zu staatlichen und politischen Organisationen gelang ihm, manches Problem zum Vorteil des Krankenhauses, seiner Patienten und Mitarbeiter zu lösen. Am 27. Oktober 1984 verstirbt er 58jährig nach langer schwerer Krankheit. Nachfolger wird sein Stellvertreter, der langjährige Wirtschaftsleiter Frank Tietze, der jedoch im darauffolgenden Jahr zum Bezirkskrankenhaus Dresden-Friedrichstadt wechselt und von Dipl.-Ing. Dietmar Nichterlein abgelöst wird.
Die außerordentlichen Leistungen der Mitarbeiter des Krankenhauses Dresden-Neustadt in den zurückliegenden Jahren summieren sich in der Auszeichnung dem Orden "Banner der Arbeit", Stufe I (1979) und der Zuerkennung des Status eines Bezirkskrankenhauses (1980).

© Verlag Horst R. Rein, Dresden, 1998