24. März 2020

Angst und Vernunft

Jeder Mensch geht anders mit schwierigen Situationen um. Gerade in Zeiten einer Pandemie können Ängste das Leben bestimmen. Dr. Ulrike Anderssen-Reuster, Chefärztin der Klinik für Psychosomatik und , hat sich mit dem Thema Angst auseinandergesetzt. Sie und ihr Team der Psychosomatischen Ambulanz und Psychotherapeutischen Elternambulanz bieten zudem den Dresdnern während der Corona-Zeit eine „Psychologische Beratungshotline" an,Telefon: 0351 856-6351 (Montag bis Freitag: 06:30 bis 14:30 Uhr).

Angst gehört zu den menschliche Grundgefühlen, wie zum Beispiel auch Wut, Trauer, Überraschung und Freude. Alle basalen Emotionen haben die evolutionäre Aufgabe, Leben zu schützen. So sorgt eine gesunde Angst dafür, dass wir uns nicht leichtfertig in Gefahr bringen, dass wir Situationen und Menschen kritisch prüfen und vernünftig mit Gefahrenlagen umgehen können. Wenn Angst zur vorausschauenden Sorge führt, so ist sie ein wichtiger Schutzfaktor, der uns und unsere Mitmenschen in der Corona-Krise helfen kann, die Ansteckungen deutlich zu begrenzen.

Angst ist aber auch eine primärprozesshafte Energie, die nicht leicht zu kontrollieren ist. Sie kommt aus den archaischen Arealen unseres Stammhirns, wo sie auf einem ganz primitiven Niveau die Kampf- oder Fluchtreflexe aktiviert; und manchmal – bei übergroßer Angst – Erstarrung und Hilflosigkeit. Wenn diese erregte und zum sofortigen Handeln drängende Angst dominiert, dann wird sie zur Panik und kopflosem Aktionismus. Dann ist die Angst kein guter Ratgeber mehr. Und wenn die Hilflosigkeit dominiert, dann drohen Wegschauen, Bagatellisieren und Missachtung notwendiger Vorsichtsmaßnahmen; dann kann es gefährlich werden – auch für andere.

Die Angst kann sich selbstständig machen und ausweiten, wenn sie nicht bewusst begrenzt wird. So können zum Beispiel Nachrichten oder Informationen aus den sozialen Medien die Angst immer mehr verstärken. Das kann aufregend und spannend sein, aber auch sozial destruktiv wenn im Krisenmodus jeder nur selbst der nächste ist. Es können sich auch Angstkrankheiten entwickeln, die psychisch schwer belastend sind und chronisch werden können. Dem kann man am besten begegnen, indem der Medienkonsum begrenzt wird und nur vertrauenswürdige Quellen genutzt werden.

Angst und Vernunft sind ein gutes Gespann. Die Angst aktiviert zur Voraussicht und vorsorgendem Kümmern und Handeln. Die Vernunft liefert dafür den Rahmen und die Werkzeuge. Dies gilt nicht nur für medizinische oder politische Planungen, sondern auch für den persönlichen Umgang mit der eigenen Angst. Wenn wir die Signalwirkung der Angst wahrnehmen, dann hilft die Vernunft, die Angst zu differenzieren und ihr auf eine gute Weise zu begegnen, beispielsweise in dem man einerseits für Sicherheit und Klarheit sorgt und andererseits für Stabilität und Gelassenheit, die gerade in schwierigen Zeiten besonders wichtig sind. (Dr. med. Ulrike Anderssen-Reuster, Klinik für Psychosomatik und )