Vaskulitiszentrum (Friedrichstadt)

title4

Vaskulitiden

Die meisten Patienten sind bei der Erstdiagnose um die 60 Jahre alt.

 

Die häufigsten Vaskulitiden

werden hauptsächlich nach der Art der Gefäße unterschieden, die von der Entzündung betroffen sind: große, mittlere und kleine Gefäße. Jede Form der Vaskulitis gilt als eigene Krankheit. Der Verlauf ist bei jeder Form verschieden und kann bei jedem Menschen unterschiedlich sein! Obwohl in jedem Alter auftreten können und sowohl Männer als auch Frauen daran erkranken, lassen sich doch – je nach

spezieller Erkrankung – Häufungen ausmachen: Die meisten Patienten sind bei der Erstdiagnose um die 60 Jahre alt. Einzelne (wie das Kawasaki-Syndrom oder die Purpura Schönlein-Henoch) kommen fast nur bei Kindern vor, an der Riesenzell-Arteriitis (Morbus Horton) erkranken wiederum nur über 50-Jährige. Von einer Million Menschen leiden etwa 200 an einer Vaskulitis; jedes Jahr erkranken etwa 50 Menschen neu. Es handelt sich also um vergleichsweise seltene Erkrankungen, weshalb Diagnose und Therapie sehr schwierig sind.


Primäre, systemische Vaskulitiden

Die Gruppe der primären umfasst alle Erkrankungen, die spontan auftreten und deren Ursachen heute zum großen Teil unbekannt sind bzw. nicht entdeckt werden können. Generell kann der erfahrene Arzt zwar die meisten Patienten klar in das heute gängige Schema der (sogenannte Chapel-Hill-Klassifikation) einordnen. Dennoch gibt es häufig Mischformen und sehr ungewöhnliche Befallsmuster, die sich der Einteilung entziehen.

Vaskulitis großer Gefäße

Vaskulitis mittlerer Gefäße

Vaskulitis kleiner Gefäße

arten-bild2

Riesenzell-Arteritis

An der am häufigsten auftretenden Vaskulitis-Form (auch bezeichnet als Arteriitis temporalis, Arteriitis cranialis, Morbus Horton) leiden fast nur ältere Menschen. Zum Zeitpunkt der Diagnose liegt das durchschnittliche Alter bei 70 Jahren. Frauen sind von dieser Vaskulitis-Form etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Entzündung befällt hier vor allem die Schläfenarterie („Arteria temporalis“). Das erste Anzeichen, das Patienten bemerken, ist daher ein starker, bohrend-stechender Schläfenkopfschmerz. Oft wird dieser schlimmer, wenn etwas gekaut wird. Dazu kommen unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Muskelschmerzen. Der Arzt kann an beiden Schläfen verdickte, pulslose und druckempfindliche Adern ertasten, die mitunter auch sichtbar sind. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen geht die Entzündung schon nach wenigen Tagen auf das Auge über; sie bemerken dann plötzlich einsetzende, schwere Sehstörungen, die bis zur Erblindung gehen können. Da die Riesenzell-Arteriitis schnell auf die Blutgefäße des Gehirns übergreifen und einen Schlaganfall verursachen kann, wird sie als Notfall behandelt. Bei fehlender Behandlung mit Kortisonpräparaten besteht ein nicht unerhebliches Risiko zu erblinden.
Wird die Krankheit schnell genug erkannt und behandelt, verläuft die Behandlung meist erfolgreich, wenn sie auch lange dauern kann.

Polymyalgia Rheumatica

Die Polymyalgia rheumatica (umgangssprachlich als Polymyalgie bezeichnet) ist eine verbreitete rheumatische Erkrankung des Alters, die häufig gemeinsam mit einer Riesenzell-Arteriitis auftritt. Die Betroffenen leiden unter sehr schmerzhaften Entzündungen der Muskeln im Schulter- oder Beckengürtel. In Deutschland erkranken jedes Jahr zwischen 16.000 und 40.000 Menschen, Frauen dreimal häufiger als Männer. Die meisten Betroffenen sind über 65 Jahre alt. Die Polymyalgie zeigt sich meist durch plötzlich auftretende Muskelschmerzen in beiden Schultern oder Hüften. Die Betroffenen wachen morgens auf, fühlen sich krank, steif und unbeweglich. Im Laufe des Tages lassen die Schmerzen dann wieder nach. Wird die Polymyalgie rechtzeitig erkannt, sind die Aussichten auf schnelle Besserung sehr gut, auch wenn die Behandlung bis zu zwei Jahre dauern kann.


Takayasu-ArteriItis

An einer klassischen Takayasu-Arteriitis (auch Aortenbogen-Syndrom, „pulseless disease“) erkranken fast nur Frauen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Die Verbreitung dieser Krankheit ist regional sehr verschieden – im Nahen Osten gibt es zum Beispiel mehr Fälle als in Westeuropa –, generell ist sie aber mit zwei bis drei Fällen auf eine Million Menschen im Jahr sehr selten.

Von der Entzündung sind hier vor allem die großen, elastischen Arterien betroffen, die von der Hauptschlagader (Aorta) abgehen. In den Gefäßwänden bilden sich sogenannte Granulome, die vernarben und dadurch das Gefäß verengen. Das Ansteigen des Blutdrucks kann besonders in den herznahen Gefäßen zu Aussackungen („Aneurysmen“) führen. Die Folgen können tödliche Hirn- oder Herzinfarkte sein. Betroffene bemerken zuerst die allgemeinen Symptome einer Entzündung: allgemeines Krankheitsgefühl mit Fieber, Appetitlosigkeit, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Gliederschmerzen etc. Erst nach längerer Zeit setzen andere Anzeichen ein, die auf Verengungen der Blutgefäße („Okklusionen“) zurückzuführen sind. Je nachdem, welches Gefäß betroffen ist, kommt es zu Durchblutungsstörungen der Hände, des Herzens oder des Gehirns. Der Name „pulseless disease“ bezieht sich darauf, dass an einem oder beiden Handgelenken kein Puls mehr zu fühlen ist. Die Patienten klagen über starke Schmerzen beim Heben, Schwindel und Ohnmacht bei Anstrengungen, sie leiden unter Bluthochdruck, Sehstörungen, Schlaganfällen und Herzinfarkten. Die Gefahr einer dauerhaften Schädigung der Gefäße durch den Bluthochdruck ist umso geringer, je früher die Takayasu-Arteriitis behandelt wird. Oft kommt es zu Rückfällen oder chronischen Verläufen. Viele Patienten können dennoch ein normales, beschwerdefreies Leben führen.


Panarteriitis nodosa

An dieser sehr seltenen Form der Vaskulitis (in Deutschland sind weniger als einer pro 100.000 Einwohner betroffen) erkranken dreimal mehr Männer als Frauen. Charakteristisch für die Panarteriitis nodosa oder PAN sind Entzündungen der kleineren und mittleren Arterien, bei denen sich Knötchen wie an einer Perlenkette aufgereiht bilden („nodosus“ heißt auf griechisch knötchenförmig). Diese finden sich vor allem an den Waden, den Unterarmen und den inneren Organen. Durch die Knötchen verengen sich die Blutgefäße immer mehr, bis es zu Verschlüssen (sog. „Thrombosen“) kommt, wodurch die von diesen Gefäßen versorgten Körperteile absterben können. Häufig sind Finger, Zehen oder ganze Hände und Füße von solchen „Infarkten“ betroffen.

Die Haut verfärbt sich in diesen Fällen deutlich blau bis schwarz. Im Körperinneren werden oft der Magen-Darm-Trakt, die Bauchspeicheldrüse, aber auch die Nerven geschädigt. Beginnend mit Fieber, Taubheitsgefühl und kribbelnden Händen und Füßen, kann sich die PAN langsam verschlimmern, aber auch schnell voranschreiten und lebensbedrohlich werden. Wird sie schnell erkannt und angemessen behandelt, bevor bleibende Schäden entstanden sind, bestehen gute Aussichten auf Heilung.


Kawasaki-Syndrom

Das Kawasaki-Syndrom (auch mukokutanes Lymphknotensyndrom, MCLS) ist eine schwere Kinderkrankheit, an der in Deutschland ca. 350 Kinder pro Jahr erkranken.

Es sind fast ausschließlich Kinder bis fünf Jahre betroffen. Beim Kawasaki-Syndrom entzünden sich die mittleren und kleinen Arterien und auch die Organe im gesamten Körper. Im Anfangsstadium wird die Erkrankung oft mit Masern oder Scharlach verwechselt. Die Kinder leiden unter andauerndem, hohem Fieber, bekommen einen Hautausschlag am Rumpf, gerötete und geschwollene Lippen, eine belegte Zunge und stark verdickte Lymphknoten. Handflächen und Fußsohlen sind ebenfalls gerötet und geschwollen. Befällt die Entzündung die Herzgefäße, kann es zu Aussackungen („Aneurysmen“) und lebensgefährlichen Infarkten kommen. In der Regel heilt die akute Erkrankung von selbst aus. Eine rechtzeitige Erkennung und Behandlung des Kawasaki-Syndroms ist jedoch entscheidend, um bleibende Herzerkrankungen zu vermeiden. 


Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener)

Die Wegener-Granulomatose (auch Morbus Wegener, Klinger-Wegener-Churg-Syndrom, Riesenzellen-Granulo-Arteriitis, Allergische Angiitis oder Rhinogene Granulomatose) ist eine seltene Vaskulitis der kleinen Blutgefäße am Ende des Blutkreislaufs, wobei sich Knötchen („Granulome“) in den oberen und unteren Atemwegen bilden. Erste Anzeichen sind blutiger Schnupfen, schwer heilende Wunden, Nebenhöhlenentzündungen, Ohrenschmerzen und Hörverlust. Die Entzündung kann den Nasenknorpel angreifen, wodurch es zu der typischen „Sattelnase“ kommt. Später greift die Entzündung auf die Haut, die Lungen und die Nieren über. Im Blut lassen sich erhöhte ANCA-Werte nachweisen. Während die Wegener-Granulomatose unbehandelt tödlich verläuft, bestehen bei rechtzeitiger Behandlung gute Chancen auf Besserung.

Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
(Churg-Strauss-Syndrom)

Das sehr seltene Churg-Strauss-Syndrom (CSS, auch Allergische granulomatöse Angiitis) ist eine knötchenbildende Entzündung der kleinen Blutgefäße, die auf eine bereits bestehende Asthma-Erkrankung folgt. Die Krankheit tritt sehr selten auf, meist im Alter von ca. 40 Jahren. Betroffen sind meist die Haut und die Lunge, es kommt zu typischen Einblutungen und Knötchen, Sensibilitätsstörungen an Händen und Füßen. Lebensbedrohlich kann eine Herzbeteiligung sein, die Rhythmusstörungen hervorruft. Wie bei der Wegener-Granulomatose können erhöhte ANCA-Werte auf ein Churg-Strauss-Syndrom hinweisen. Die Aussichten auf dauerhafte Besserung sind bei rechtzeitiger Behandlung gut.


Mikroskopische Polyangiitis

Bis vor 20 Jahren noch als Unterform der Polyarteriitis nodosa klassifiziert, wird die Mikroskopische Polyangiitis (MPA, auch mPAN in Abgrenzung zur klassischen PAN) inzwischen als eigenständige Erkrankung eingeordnet. Diese generalisierte, keine Knötchen bildende Vaskulitis der kleinen Gefäße tritt in Deutschland sehr selten auf.

Typischerweise sind die Nieren und die Lunge betroffen, das äußere Erscheinungsbild ähnelt der Wegener-Granulomatose. Auch hier sind die typischen ANCA-Marker, speziell der P-ANCA, nachweisbar.


Purpura Schönlein-Henoch

Die häufigste, aber gleichzeitig harmloseste Vaskulitis des Kindes- und Jugendalters befällt fast ausschließlich Jungen und Mädchen zwischen vier und elf Jahren, gehäuft im Frühjahr und Herbst. Die namensgebenden punktförmigen Einblutungen („Purpura“), die meist an den Beinen und Füßen auftreten, entstehen durch Entzündungen der kleinsten Blutgefäße und treten in der Regel schubweise nach vorausgehenden Infekten der Atemwege auf. Häufige Begleitsymptome sind Gelenkbeschwerden in den Beinen, Ödeme, Bauchschmerzen mit Übelkeit und Fieber. Die Purpura Schönlein-Henoch verläuft meist ohne Komplikationen und heilt ohne Spätfolgen von selbst aus. Bei Erwachsenen ist die Erkrankung deutlich seltener und neigt durch häufigere Rückfälle eher zu Komplikationen. Jedoch ist die Prognose insgesamt gut.


Sekundäre Vaskulitiden

Die Gruppe der sekundären versammelt Erkrankungen, die sich ursächlich auf eine andere Krankheit (rheumatische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie AIDS oder , Virus-Hepatitis oder Tumoren), ein bestimmtes Medikament oder einen Infekt zurückführen lassen. Bei diesen Vaskulitis-Formen sind meist die kleineren Gefäße betroffen. Sekundäre treten unter anderem in Verbindung mit der Rheumatoiden Arthritis, dem systemischen Lupus erythematodes oder der Kryoglobulinämie auf.

arten-bild3