Unser Job Sharing-Tandem in der Radiologie

Dr. Anne Röhnert und Stephanie Schönekäs sind das zweite Jobsharing-Tandem am Städtischen Klinikum Dresden.
Als Fachärztinnen in der Klinik für Radiologie arbeiten sie in der diagnostischen Radiologie und übernehmen separat gemeinsam die standortübergreifende Dienstplanung der Ärztinnen und Ärzte.

Interview mit Dr. Anne Röhnert und Stephanie Schönekäs

„In unseren Augen ist dieses Projekt eine Chance sich menschlich weiterzuentwickeln und eine zukunftsorientierte Möglichkeit, komplexe Strukturen der innerklinischen Organisation am Laufen zu halten. 4 Augen sehen schließlich mehr als 2.“

Ihr seid die ersten Ärztinnen im Haus, die sich im Job Sharing ein Tandem teilen dürfen - was war für euch der Auslöser, dieses Modell auszuprobieren?

Wir beide sind zwei Fachärztinnen in der Radiologie, angestellt am Städtischen Klinikum Dresden, wir arbeiten beide in Teilzeit (60 %) aufgrund vieler familiärer Aufgaben mit mehreren Kindern bzw. auch mit einem körperlich schwerbehinderten Kind. Wir arbeiten hauptsächlich in der diagnostischen Radiologie in der regulären radiologischen Befundung (CT, MRT, Röntgen, Mammographie), auch mit Nacht- und Wochenenddiensten.

Der Impuls für die Job Sharing-Stelle kam vom Klinikum, unser leitender Oberarzt trat mit dieser Frage bzw. diesem Angebot an uns heran. Der dafür vorgesehene Arbeitsbereich umfasst nicht die normale Arbeit in der radiologischen Diagnostik, sondern separat die standortübergreifende Dienstplanung der radiologischen Ärztinnen und Ärzte. Diese Aufgabe übernahmen wir dann als Tandem-Modell, zunächst während einer längeren Abwesenheit einer anderen radiologischen Kollegin.

Wie habt ihr euch als Tandem gefunden und was verbindet euch in eurer Zusammenarbeit?

Wir waren schon vor dem Start des Job Sharing-Tandems mehrere Jahre direkte Kolleginnen hier in der Klinik, beide in Teilzeit und beide in einer ähnlichen (auch familiären) Situation und Position. Da hat es sich sehr angeboten, dass wir beide für das Tandem in Frage kamen. Sehr ähnlich gelagert ist bei uns beiden die familiäre Situation mit zwei Kindern, wir sind mit einer strukturierten Arbeitsweise, einem knappen Zeitkontingent und organisatorischen und koordinativen Aufgaben auch in der Familie bereits vertraut. Als Tandem können wir nun als Zweier-Team die Aufgabe der standortübergreifenden Dienstplanung mit der dafür nötigen Kommunikation und Koordination hoffentlich gut bewältigen und uns dabei gegenseitig gut ergänzen.

Eure Tandemarbeit betrifft vor allem die standortübergreifende Dienstplanung. Wie habt ihr euch die Aufgaben aufgeteilt und euer Zeitmodell organisiert?

Für die standortübergreifende Dienstplanung der radiologischen Ärztinnen und Ärzte (Spät-, Nacht- und Wochenenddienste) sammeln wir für jeden Monat zunächst die Wünsche und Abwesenheiten aller Kolleginnen und Kollegen, erstellen einen Dienstplanentwurf, besprechen und verbessern ihn gemeinsam, kommunizieren mit der Belegschaft bei Änderungswünschen und Problemen und erarbeiten denn den endgültigen Dienstplan. Wir teilen uns eigenständig die Arbeit auf, indem teils jeder von uns eigene Arbeitsabschnitte hat und teils wir wichtige Abstimmungen gemeinsam und manchmal auch mit unserem Vorgesetzten besprechen. Auch bei akuten krankheitsbedingten Ausfällen von Kolleginen und Kollegen sind wir für das Umorganisieren (mit)verantwortlich. Unsere planerischen Abläufe werden durch unsere sehr unregelmäßige und von Woche zu Woche wechselnde Präsenz (durch die Teilzeit) erschwert. Dies versuchen wir durch telefonische und schriftliche Absprachen auszugleichen.

Ihr habt schon Coaching-Tage durchlaufen. Welche Impulse oder Strategien daraus haben euch im Alltag konkret geholfen?

Wir beide hatten schon als Tandem gemeinsam einen Coaching-Tag bei uns vor Ort im Klinikum (durch Job Sharing Hub, durch Frau Staudt), was eine neue Erfahrung für uns war und sehr gute Impulse gebracht hat. Wir konnten uns gegenseitig mit unseren Stärken und Schwächen besser kennenlernen und bekamen Impulse für die Kommunikation mit dem Team und für eine optimierte Organisation unserer Planungsarbeit (z. B. eine Art „jour fixe“ für den Austausch zwischen uns).

Gab es anfangs Hürden oder Stolpersteine in der Abstimmung oder Kommunikation, die ihr gemeinsam meistern musstet?

Für unsere Planungsarbeit war und ist es weiterhin nötig und von Vorteil, dass wir beide als Tandem uns gegenseitig gut kennenlernen und uns die Kolleginnen und Kollegen mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und besten Einsatzmöglichkeiten vertraut sind. Dafür mussten wir uns erst Strategien erarbeiten und können dies hoffentlich weiter verbessern für eine optimierte gegenseitige Abstimmung und Planung. Die Absprachen mit den Kolleginnen und Kollegen erfordern manchmal Fingerspitzengefühl bei Problemen und Änderungswünschen, um zu Kompromissen zu kommen und so die Motivation der Belegschaft zu erhalten und zu fördern. Wir üben uns darin weiter und sammeln Erfahrungen.

Welche Reaktionen habt ihr aus eurem Umfeld (Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte, andere Abteilungen) auf euer Tandem bekommen  und musstet ihr auch mit Fakten oder Zahlen überzeugen?

Aus unserem direkten Arbeitsumfeld in der Radiologie gab es ausschließlich positive Rückmeldungen. Unser Chef überreichte jedem von uns zum offiziellen Beginn des Job Sharing-Projektes einen kleinen Blumenstrauß. Für unseren leitenden Oberarzt stellt dieses Arbeitszeitmodell eine Entlastung dar, da wir komplexe Fragen hinsichtlich der Dienstplanung zunächst im Tandem klären.

Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen reagieren zumeist positiv überrascht, da diese Form der Teilzeitarbeit bisher im Klinikalltag noch recht unbekannt ist.

Was war bisher euer größter Aha-Moment im Tandem, vielleicht etwas, das euch selbst überrascht hat?

Unser „Aha“-Moment war die Erkenntnis, dass Personalverantwortung grundsätzlich im „Tandem“ erfolgen sollte.  Das „4-Augen-Prinzip“ ist bekanntes Prinzip aus der Radiologie und lässt sich ebenso auf die Personalverantwortung übertragen. 4 Augen sehen mehr als 2, es können somit Fehlplanungen viel schneller erkannt werden außerdem kann die Dienstbelastung für alle Kolleginnen und Kollegen gerechter verteilt werden, wenn gemeinsame Ideen in die Planung einfließen.

Woran merkt ihr, dass ihr gemeinsam mehr erreicht, als wenn jede allein planen würde?

Für die Erstellung eines standortübergreifenden Dienstplanes müssen wir zunächst einen Planungsentwurf anfertigen, in welchem wir Wünsche und Abwesenheiten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer beiden Standorte eintragen.

Durch die Aufteilung unserer Zuständigkeiten im Job Sharing wird die Planungsarbeit, die zusätzlich zu unserer täglichen Routinearbeit in der Radiologie anfällt, insbesondere an Teilzeittagen und am Wochenende für uns beide deutlich reduziert.

Auch haben wir uns ein gemeinsames Konzept erarbeitet, wie wir im Alltag eine schnelle Lösung für kurzfristige Ausfälle unserer Kolleginnen und Kollegen finden, auch während unserer Abwesenheit. Das ist in der Klinik sehr wichtig, um eine Patientenversorgung zu gewährleisten. Allein fällt es deutlich schwerer den Überblick über die An-/ und Abwesenheiten der Kolleginnen und Kollegen zu behalten, als im Team.  

Die Arbeit als Ärztin/Arzt in der Radiologie ist sehr herausfordernd, zusätzliche Personalplanung ist während der regulären Arbeitszeit für eine einzelne Person kaum möglich. Jobsharing bietet hier für uns eine Chance, sowohl ärztliche Tätigkeit als auch Personalplanung zu übernehmen.

Gibt es eine Anekdote aus eurem Alltag, die euch als Tandem besonders gut beschreibt?

Wir als „Vollblutradiologen“ haben erfahren, dass es sehr hilfreich sein kann, nicht nur alleine schwarz-weiß zu sehen, sondern gemeinsam im Tageslicht einen Plan zu erstellen. Das erhellt den Arbeitsalltag ungemein.

Welche Rolle spielt Job Sharing für eure persönliche Work-Life-Balance?

Die Arbeit in Teilzeit ermöglicht es uns in dieser Lebensphase, als Mütter zweier Kinder, überhaupt im ärztlichen Bereich zu arbeiten. Das geht es weniger um die persönliche „Work-Life-Balance“ als um eine umsetzbare „Work-Familienorganisation-Balance“. Teilzeitarbeit ist die Basis. Jobsharing eine Chance für berufliche Weiterentwicklung und Wertschätzung. Dank Job Sharing ist es möglich, zusätzliche Aufgaben, z.B. Personalplanung, auch in Teilzeitarbeit zu übernehmen. Das bedeutet für uns, dass wir Einblicke in Strukturen und innerklinische Organisationsabläufe erhalten, die man sonst nur in leitenden Positionen bekommt. Die individuelle Freizeit steht für uns im Job Sharing nicht im Vordergrund.

Welchen Tipp würdet ihr anderen Ärztinnen und Ärzten geben, die überlegen, ein Tandem auszuprobieren?

Wir können allen Ärztinnen und Ärzte ein Tandem-Projekt ans Herz legen, die Freude an der Arbeit im Team haben und gern im Interesse der Mitarbeiter handeln. Jobsharing erfordert ein hohes Maß an Selbstorganisation und Kommunikation, um gemeinsam die Aufgaben bewältigen zu können. In unseren Augen ist dieses Projekt eine Chance sich menschlich weiterzuentwickeln und eine zukunftsorientierte Möglichkeit, komplexe Strukturen der innerklinischen Organisation am Laufen zu halten.

4 Augen sehen schließlich mehr als 2!

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